YouTube und der Landtagswahlkampf in Sachsen & Brandenburg

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  •  YouTube ist in den Landtagswahlkämpfen in Sachsen (#sltw19) und Brandenburg (#WirSindWilly) angekommen.
  • Online-Video-Strategie ist bei sämtlichen Parteien ausbaufähig
  • Speziell für das Internet produzierte Videos gewinnen an Bedeutung. 

Das klassische Fernsehen wird mehr und mehr von On-Demand-Angeboten abgelöst. Filme und Serien werden über Netflix und Amazone Prime geschaut, die lieblings TV-Show auf der Seite der Sender gesucht und als Online-Video erreichen uns oft beiläufig die neusten Newsbeiträge, Katzenvideos und mehr oder weniger brauchbare Tutorials.

YouTube gilt dabei im deutschsprachigen Raum als das meistgenutzte Videoportal. Laut der letzten ARD/ZDF-Onlinestudie schauen 64 Prozent der Bundesbürger mindestens gelegentlich auf YouTube hochgeladene Videos. Betrachtet man nur die unter 30-Jährigen sind es sogar 85 Prozent. Auch der letzte Web-TV-Monitor und der Social-Media-Atlas verdeutlichen die Relevanz der Google Tochter (socialmediastatistik.de berichtete hier und hier).

Es verwundert nicht, das auch politische Parteien YouTube für sich entdeckt haben. Ohne journalistische Gatekeeper können eigene Botschaften per Video an die potenzielle Wählerschaft weitergeleitet werden. Bei der zurückliegenden Europawahl wurde dies deutlich.

YouTube im Europawahlkampf 2019

46 Videos veröffentlichte das YouTube Profil der CDU in den zwei Monaten vor der Wahl. Die Videoaufrufzahlen stiegen in diesem Zeitraum von 6,06 Millionen Aufrufe auf 9,46. Somit wurden seit Bestehen des Profils 35,9 Prozent aller Aufrufe in den Wochen vor der Wahl generiert.

Noch erfolgreicher nutzte die AfD das Portal für ihre Botschaften. Im selben Zeitraum wurden 70 Videos veröffentlicht. Die Aufrufzahlen stiegen von 5,38 Millionen auf 10,45 Millionen. 48,5 Prozent aller Aufrufe seit Bestehen des Profils generierte die Partei kurz vor der Wahl zum neuen Europaparlament. Auch die Reaktionen zu den Videos stiegen sprunghaft an. Summiert man die Kommentare unter den Videos, so stiegen diese von 22.000 auf knapp 74.000 an. Ähnlich die Videobewertungen: Aus 163.000 positiven wurden 418.000 und aus 4.000 negativen 36.000.

Mit weniger zugewinnen, aber dennoch beachtlich, behaupteten sich die Grünen. 83 Videos wurden im Wahlkampf veröffentlicht. Die Videoaufrufe stiegen in den acht Wochen vor der Wahl von 10,65 Millionen auf 13,08 Millionen. Damit wurden 18,5 Prozent aller Aufrufe seit Bestehen des Kanals in diesem Zeitraum generiert.

Die SPD, CSU, die Linke und die FDP schenkten dem Videoportal hingegen wenig Aufmerksamkeit. Zwar veröffentlichten auch diese Parteien eine Reihe von Videos, doch ist aus den reinen Zahlen nicht ersichtlich, dass es sich eigentlich um Wahlkampfzeiten handelte. Im Betrachtungszeitraum veröffentlichten die Sozialdemokraten vier Videos und steigerten ihre Aufrufzahlen von 6,6 Millionen auf 6,88 Millionen. Mit 13 veröffentlichten Videos steigerte die CSU ihre Aufrufe von 3,26 Millionen auf 3,31 Millionen. Zwar veröffentlichte die Linke mit 54 Videos mehr als die CDU, jedoch blieben die Zugewinne mit 4,6 Millionen zu 5,09 Millionen überschaubar. Auch die sonst so Social Media affine FDP schien YouTube eher zu vernachlässigen. Zwar wurden auch hier 39 Videos veröffentlicht, jedoch stiegen die Aufrufe gerade einmal von 4,86 Millionen auf 5,19 Millionen. YouTube schien für diese vier Parteien im Europawahlkampf keine bedeutende Rolle zu spielen.

Knapp 100 Tag nach der Europawahl finden kommenden Sonntag die Landtagswahlen in Sachsen und in Brandenburg statt. Kurz vor der Wahl gibt es hier eine Einschätzung über den Landtagswahlkampf auf YouTube.

YouTube-Wahlkampf in Sachsen

Die CDU Sachsen veröffentlichte in den letzten Wochen rund 40 Videos. In erster Linie handelte es sich dabei um wenige Sekunden lange Clips von verschiedenen Stopps der Wahlkampftour des amtierenden Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Besonders oft wurden diese Videos auf YouTube jedoch nicht angeschaut. Die meisten Videos haben Aufrufzahlen im unteren dreistelligen Bereich. Dennoch wurden Videos des CDU Sachsen Kanals etwa 16.000 mal in den vergangenen Wochen aufgerufen. Berücksichtigt man, dass die Videos desselben Profils im ganzen Jahr 2018 gerade einmal 2.000 mal aufgerufen wurde, ist der Zuwachs beachtlich.

Die SPD Sachsen veröffentlichte zum Wahlkampf nur wenige Videos, die auch nur selten aufgerufen wurden. Neben Audiopodcast handelt es sich dabei um Kurzmonologe des SPD-Spitzenkandidaten Martin Dulig zum öffentlichen Nahverkehr, Rente und Kita. Fünf Videos mit dem Titel ‚Dulig vs. Kretschmar‘ wurden am 15.08 veröffentlicht, waren einen Tag später jedoch nicht mehr aufrufbar.

Bündnis 90/Die Grünen steigerten ihre Videoaufrufe von 62.000 Anfang August auf mittlerweile über 192.000. Fast sämtliche dieser Aufrufe entfallen jedoch auf den offiziellen Wahlspots der Partei. Ähnlich der SPD veröffentlichten auch die Grünen wenige Sekunden lange Kurzmonologe (Themen: Polizei und Sicherheit, ökologische Landwirtschaft, Bildung, klimafreundliche Mobilität). Jedoch bewegen sich die Aufrufzahlen dabei im zweistelligen Bereich.

Grüner Wahlkampfspot zur Landtagswahl 2019

Am 1. September entscheidet sich die Zukunft Sachsen. Ob wir das Land mit Mut, Zusammenhalt und Meschlichkeit erneuern können oder ob Angst, Hass und Ausgren…

Die YouTube-Videos der FDP Sachsen menscheln. Der Spitzenkandidat Holger Zastrow äußert sich hier etwa über sein Lieblingstier, seine Vorbilder und zum Thema Motorradfahren. Aber auch diese Videos erreichen gerade einmal Aufrufzahlen im zweistelligen Bereich. Ein klein wenig mehr Aufrufe erreicht hingegen der Wahlwerbespot. Zu sehen ist Zastrow, wie er alleine auf Stühlen im Freien sitzt. Was genau dieses Bild für eine Botschaft vermitteln soll bleibt unklar und hinterlässt eher Irritation.

Das Profil des Landesverbandes der AfD Sachsen hat im Wahlkampf bis jetzt keine Videos auf YouTube veröffentlicht, die Linke nur den offiziellen Wahlwerbespot.

YouTube-Wahlkampf in Brandenburg

YouTube hat für die CDU Brandenburg in der Vergangenheit mutmaßlich keine Rolle gespielt. Nachdem Anfang August fünf Videos von dem Profil entfernt wurden, verfügen alle Videos zusammen über nicht einmal 5.000 Aufrufe. Auch zuvor waren es mit den entfernten Videos gerade einmal knapp 12.000 Aufrufe. Dennoch tut sich etwas: Neben einem durch diverse Redewendungen durchzogenen Wahlspot wurden in den vergangenen Tagen vor allem Video-Clips des Spitzenkandidaten Ingo Senftleben auf der Pferderennbahn, bei einem American Football Spiel, beim Fahrrad- bzw. Kanufahren und mit vielen Tieren auf einem Bauernhof gezeigt. Jedoch haben vor allem diese fürs Internet gemachten Videos auf YouTube Aufrufzahlen im niedrigen zweistelligen Bereich.

Einen besonders hohen Zugewinn an Videoaufrufen kann die AfD Brandenburg für sich verbuchen. Hatten alle Videos des Profils Mitte Juni gemeinsam noch weniger als 10.000 Aufrufe, sind es mittlerweile über 100.000. Fast sämtliche Aufrufe entfallen dabei auf Livestreams von verschiedenen Veranstaltungen.

Zu einem ähnlichen Zugewinn an Videoaufrufen schafften es die brandenburgische Grünen. Waren es Mitte des Monats noch 50.000 Aufrufe, sind es mittlerweile mehr als 210.000. Diese Zugewinne hat die Partei fast ausschließlich dem Wahlwerbespot zu verdanken. Ansonsten wurden Veranstaltungsmitschnitte und ein Videoporträt der Spitzenkandidatin Ursula Nonnemacher veröffentlicht. Diese Videos haben jedoch nur Aufrufzahlen im teilweise sogar einstelligen Bereich.

Die brandenburgische Linke hat sich für den Online-Wahlkampf eine Reihe verschiedener Online-Video-Formate erdacht. Es gibt auf dem YouTube Profil Clips von Politikerinnen und Politiker der verschiedenen Wahlkreise, in denen sie über ihre politischen Schwerpunkte und Prioritäten aufklären. Ebenso wurde ein acht minütiges Video über den Wahlkampf in der Lausitz, ein humorvolles Porträt der beiden Spitzenkandidaten Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter, sowie ein Format welches sich „90 Sekunden mit…“ nennt und in denen in eineinhalb Minuten abwechselnd Dannenberg und Walter sich zu den Themen Gesundheitsvorsorge, Bildung, AfD und Wohnen positionieren. Allerdings weisen auch diese Videos meist nur Aufrufzahlen im zweistelligen Bereich auf.

Wer sind Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter?

Unser Spitzenteam zur Landtagswahl 2019 stellt sich vor.#LTW2019 #LTW19 #Landtagswahl #Brandenburg

Auch die FDP hat im brandenburgischen Wahlkampf eine Reihe extra fürs Internet produzierte Videos auf YouTube veröffentlicht. Neben einem Mitschnitt der Kampagnenpräsentation zur Landtagswahl sind es etwa Vorstellungsvideos verschiedener Politikerinnen und Politiker. Diese Videos sind mit vier bis acht Minuten für YouTube Verhältnisse enorm lang. Interessant sind die FDP Videos mit Wiebke Schwarzweller. Schwarzweller ist Bürgermeisterkandidatin für den nicht einmal 20.000 Einwohner zählenden Ort Zossen. Parallel zu den Landtagswahlen finden in Zossen die Bürgermeisterwahl statt. Neben dem „Vorstellungsvideo“ redet Schwarzweller in einem Video mit Senioren über einen problematischen Straßenübergang oder an einer Waldbank über das Thema Umwelt in Zossen. Bedauerlicherweise ist die Umsetzung der Videos nicht besonders gut gelungen: Unschärfe, verwackelte Einstellungen und kaum bis gar nicht zu verstehende Redebeiträge hinterlassen einen eher negativen Eindruck.

Die SPD in Brandenburg hat im Wahlkampf nur den Wahlwerbesport veröffentlicht. Dieser wurde knapp über 500 mal betrachtet.

Schlussfolgerungen

Der Trend, der bei der Europawahl zu beobachten war, setzt sich auch in den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg fort. Es wurden von verschiedene Parteien vermehrt Videos extra fürs Internet produziert. Betrachtet man ausschließlich YouTube, so ist der „Erfolg“ jedoch überschaubar. Dies kann verschiedene Gründe haben: Sind die Online-Videos durch die Parteien nicht auf anderen Distributionskanälen verbreitet worden, hat ein Gros der potenziellen Empfänger nicht von dessen Existenz erfahren. Auch ist fraglich, ob solche Arten von Videos primäre über die organische Reichweite ihre Zuschauer finden. Aber vielleicht täuscht auch der Eindruck: Womöglich sind die Aufrufe höher, da etwa dasselbe Video neben YouTube auch auf Twitter, Facebook, Instagram, etc. veröffentlicht wurde und so auf jedem der Portale eigene Aufrufzahlen generiert hat.

Einige Parteien sind mit guten Ideen aufgefallen, jedoch ist Potenzial verschenkt worden.

  • Die CDU Sachsen sowie die CDU Brandenburg verfügen über Videomaterial zu mehreren Veranstaltungen und Events. Anstelle der Veranstalltungstrailern wären Vlogs im Sinne eines Videotagebuchs eine Alternative gewesen. So hätte man mit einer simplen Dramaturgie den Zuschauer abholen und ihn das Gefühl geben können, dabei gewesen zu sein.
  • Die Kurzmonologe zu einzelnen Themen bei der SPD und den Grünen in Sachen sind von der Idee her gut, jedoch vom Informationsgehalt gering. Zu sehr wird auf nichtssagende Allgemeinaussagen gesetzt. Besser macht es hier die Linke in Brandenburg mit ihrem Format „90 Sekunden mit…“. In 90 Sekunden kann mehr Inhalt transportiert werden, als in 30 Sekunden. Zudem verlinkt die Partei in der Videobeschreibung die jeweiligen Stellen im Parteiprogramm und liefert so weitere Informationen. Die Stoßrichtung hier ist auf jeden Fall richtig, die Präsentationsart aber ausbaufähig.
  • Die Strategie der FDP Sachsen, die menschliche Seite des Spitzenkandidaten Zastrow zu thematisieren, hätte man durch ein authentisches Videoporträt anstelle der Kurzclips besser umsetzen können.
  • Die Videos der FDP Brandenburg zu Schwarzweller sind von der Umsetzung schlecht gemacht. Jedoch ist die Idee, Videobeiträge zu ganz konkreten Dingen zu erstellen, nicht verkehrt. Durch solche Videos ist es möglich, die Wähler in ihrer (lokalen) Wirklichkeit abzuholen und sich als Partei oder Politiker programmatisch zu profilieren.

Zusammenfassend kann gesagt werden:

YouTube ist in den Landtagswahlkämpfen in Sachsen und Brandenburg angekommen. Erste Ideen sind zaghaft umgesetzt worden – jedoch kann die Wirkung als eher gering eingeschätzt werden. Eine Online-Video-Strategie ist bei sämtlichen Parteien ausbaufähig.

Anmerkungen

Die Daten wurden von YouTube zur Verfügung gestellt. Per YouTube-API wurden diese Daten einmal täglich abgefragt und in einer Datenbank gespeichert. Aus den Daten ist nicht ersichtlich, ob die Aufrufe organisch oder per Targeting zustande gekommen sind. Thematisiert wurden hier die Kanäle der Bundes- bzw. Landesparteien. Die Fraktions-Profile wurden dabei nicht berücksichtigt.

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