- Wahlaufruf an 3 Millionen Personen in Rheinland-Pfalz und etwa 7,7 Millionen in Baden-Württemberg
- Wie lief der Wahlkampf bei Social Media ab?
Während in Baden-Württemberg die Umfragen ein knappes Rennen zwischen den Grünen und der CDU prognostizieren, scheinen in Rheinland-Pfalz CDU und SPD unter sich auszumachen, wer die meisten Wählerinnen- und Wählerstimmen für sich verbuchen kann. Inwiefern die Korruptionsvorwürfe gegen die Union eine Auswirkung auf die Stimmverteilung haben wird ist schwer vorherzusagen, da bei dieser Wahl die Briefwahl schon seit längerem möglich ist und eine besondere Bedeutung haben hat.
Bereits vor zwei Jahren wurde an dieser Stelle die Wahlkampfbemühungen zu den Landtagswahlen in Thüringen bzw. in Sachsen und Brandenburg auf YouTube betrachtet. Auch nun schauen wir uns wieder die Online-Videoveröffentlichungen der relevanten Parteien auf YouTube an.
Verzeichnis
YouTube-Wahlkampf in Baden-Württemberg
Gemessen an den Aufrufzahlen ist die auf YouTube am erfolgreichste Partei Baden-Württembergs Bündnis 90/Die Grünen. Seit Bestehen des Kanals (Oktober 2008) wurden über 500 Videos veröffentlicht. Die Aufrufzahlen bewegen sich der 600.000 Marke entgegen. Betrachtet man die letzten Wochen, so waren es vor allem Livestreams oder reine Audiointerviews, die auf YouTube veröffentlicht wurden. Die höchsten Aufrufzahlen (über 70.000) kann der auch auf YouTube veröffentlichte TV Spot verbuchen. Es ist zu vermuten, dass das Video durch Werbeschalten eine größere Reichweite erhielt.
Behind the Greens · Folge 7
In unserer 7. Folge „Behind the Greens“ stellen euch unsere Landesvorsitzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand unsere Kampagne zur Landtagswahl am 14. M…
Seit Dezember 2020 veröffentlichen die Grünen das Format ‘Behind the Greens’. Das YouTube-Format verspricht den Zuschauerinnen und Zuschauern mit den reportageartigen Videos mitzunehmen und einen Einblick ‘hinter die Kulissen’ zu geben. An sich ist das eine gute Idee. Personalisierung und Transparenz haben sich zu zentralen Elementen der politischen Kommunikation entwickelt. Die Möglichkeiten wurden aber nur am Rande genutzt. Die Aufrufzahlen halten sich in Grenzen und die Machart könnte kurzweiliger und interessanter sein. Dies kann sich zukünftig noch entwickeln. Schade ist nur, dass auf das Format trotz richtiger Ansätze im Wahlkampf nur sehr am Rande zurückgegriffen wurde. Die einzige ‘Behind the Greens’ zum Wahlkampf wurde am 11. Januar veröffentlicht und thematisiert die Kampagnenvorstellung zur Landtagswahl. Die beiden Protagonisten Sandra Detzer und Oliver Hildenbrand schaffen es jedoch nicht, authentisch zu wirken. Das Video wirkt stark aufgesetzt.
Die CDU Baden-Württemberg veröffentlichte seit Jahresbeginn fast 100 Videos und steigerte die Aufrufzahlen von 130.000 auf über 500.000. Auffällig sind dabei vor allem die Videos der letzten Wochen mit den meisten Aufrufzahlen. Fast sämtliche dieser Videos wurden zeitgleich am 12. Februar hochgeladen, sind jeweils 15 Sekunden lang und erinnern mit flotter Musik, dem genutzten Videostockmaterial und dem schnellen Einblenden von Schriften an klassische Werbespots. Auch hier ist zu vermuten, dass die Aufrufzahlen durch Werbeschaltungen zustande kamen und die Videos sogar zu diesem alleinigen Zweck produziert wurden.
Etwas bizarr wirkt allerdings ein Video mit dem Titel ‘Der digitalste Wahlkampf, den Baden-Württemberg je gesehen hat!’. Dieses Video hat mit etwa 200 Aufrufen nicht besonders viele Zuschauerinnen bzw. Zuschauer und die gestalterischen Elemente, wie das Einbauen künstlicher Bildfehler, ist irritierend. Es wird versprochen, dass die Union den digitalsten Wahlkampf, der je gesehen wurde, absolviert. Die Audioaufnahmen ist dabei übersteuert und die Bildeffekte lenken stark ab.
Besonders kreative Ideen oder positive Umsetzungsbeispiele gibt es auf dem Kanal der CDU Baden-Württemberg nicht.
Auch die SPD Baden-Württemberg hat in den vergangenen Wochen besondere Anstrengungen auf YouTube geleistet. Bewegten sich auch hier die Aufrufzahlen Mitte Februar noch um die 130.000 sind es nun beinahe 600.000. Auch die SPD hat seit Jahresbeginn knapp 100 Videos veröffentlicht.
Neben einigen Livestreams setzt die SPD auf eigene Formate. Bei ‘Stoch packt’s an’ ist der sozialdemokratische Spitzenkandidat in verschiedenen Settings zu beobachten, wie beispielsweise im Tierheim, in einer Brauerei oder beim Goldschmied. Die Videos sind jedoch sehr spröde und die Aufrufzahlen auf YouTube bewegen sich im zweistelligen Bereich. Da die Videos allerdings im 1 zu 1 Format erstellt wurden, ist YouTube hier auch wahrscheinlich gar nicht als Veröffentlichungsplattform gedacht gewesen.
Sehr interessant sind die Videoportraits zu den jeweiligen Kandidatinnen und Kandidaten, die der SPD Landesverband auf seinem Profil veröffentlicht. In den Videos wird den Kandidatinnen und Kandidaten die Möglichkeit geboten sich vorzustellen. Stoch tritt dabei als Stichwortgeber in Erscheinung. Dies wirkt allerdings stark aufgesetzt. Positiv ist jedoch die professionelle Bildgestaltung und das Zurückgreifen auf bildstarker Drohnenbilder. Die Aufrufzahlen bewegen sich im mittleren vierstelligen Bereich und sind damit vergleichsweise hoch. Dies liegt sicher auch an dem Muliplikatoreneffekt der Kandidatinnen und Kandidaten, die sich sicher über die Videos für ihre Homepage, Twitterkanal oder ähnliches gefreut haben.
Die AfD in Baden-Württemberg hat YouTube nicht sonderlich intensiv genutzt. Neben einigen Livestreams wurden sonst die klassischen TV Spots veröffentlicht. Diese greifen auf stark rassistische Vereinfachungen zurück und es wird Stimmung gegen die Coronamaßnahmen, antirassistisches Engagement und gendergerechtes Sprache gemacht. Ein extra für das Internet gedachte Format wurde hier nicht veröffentlicht.
Die FDP in Baden-Württemberg griff, wie auch die anderen Parteien, auf mehrere Livestreams zurück. Daneben gab es noch das Format ‘Klartext Uli’, indem zwei Kinder dem FDP Spitzenkandidaten Uli Rülke Fragen stellen. Leider ist der Ton sehr schlecht aufgezeichnet worden und die Machart der Videos nicht sonderlich gelungen. Besonders Pannenreich ist ein Video mit dem Titel ‘Wie wäre es mit Briefwahl?’. Dieses im 1 zu 1 Format aufgenommene Video ist an mehreren Stellen überhaupt nicht zu verstehen, die Kameraperspektive ist nicht durchdacht und die Dialoge klingen sehr künstlich.
Erfolge kann die FDP Baden-Württemberg bei wenigen Sekunden langen Clips verbuchen. Ein 17 Sekunden langes Video mit dem Titel ‘ Schule auf. Schule zu. Ende mit der Endlosschleife!’ welches rhythmisch die Sätze ‘Schule auf’ und ‘Schule zu’ in schneller Abfolge einblendet, kann über 180.000 Aufrufe aufweisen und auch der ‚klassische‘ Werbespot hat über 110.000 Aufrufe. Diese Zahlen sind wahrscheinlich durch Werbeschaltungen zustande gekommen.
Die Linke wird wahrscheinlich an der Fünfprozenthürde scheitern und nicht in den Baden-Württembergischen Landtag in Fraktionsstärke einziehen. Dennoch wurde durch die Partei eine Reihe von Videos in den vergangenen Wochen zu Wahlkampfzwecken veröffentlicht. In diesen werden jedoch nur Forderungen oder Vorhaben im On vorgelesen. Diese Videos haben meist auch nur Aufrufzahlen im gerade einmal zweistelligen Bereich. Nur das klassische Werbevideo hat circa 5.000 Aufrufe.
YouTube-Wahlkampf in Rheinland-Pfalz
Wie eigentlich sämtliche Parteien hat auch die CDU in Rheinland-Pfalz mehrere Videos über YouTube live gestreamt. Zwar gibt es darüber hinaus noch ein paar Wahlaufrufe aber sonst vermisst man auf den Wahlkampf ausgerichtete Videos. So verwundert nicht, dass sich die Landtagswahl auch nicht sonderlich in den Aufrufzahlen oder ähnlicher Kennziffern widerspiegelt. Lediglich ein live gestreamtes Benefizkonzert für die Kulturbranche kann hier als Positivbeispiel genannt werden.
Noch weniger Berichtenswertes gibt es von den Profilen von SPD, Grünen, die Linke und der FDP in Rheinland-Pfalz. Hier wurde beinahe ausschließlich Livestreams veröffentlicht.
Anders die AfD. Zwar unterscheiden sich die Aufrufzahlen nicht sonderlich von Nicht-Wahlkampfzeiten, jedoch wurden mehrere spezielle Online Formate umgesetzt.
Die AfD in Rheinland-Pfalz setzte ähnlich der SPD in Baden-Württemberg auf Videoportraits, jedoch als reine ‚Talking Heads‘ Videos. Dabei sitzen die Kandidatinnen und Kandidaten vor einem neutralen Hintergrund und beantworten eingeblendete Fragen. Auch wurde ein extra Talkformat umgesetzt, in denen ein Moderator als Stichwortgeber auftritt. In speziellen Erklärvideos werden einzelne Punkte des Wahlprogramms an einer fiktiven Familie durchgespielt.
Schlussfolgerungen
Positiv zu sehen ist, dass sich in Teilen Gedanken über die Möglichkeiten des Online-Videos gemacht worden sind. Die Videoportraits zu den Kandidatinnen und Kandidaten sind meist dröge, aber dafür ganz informativ. Die Livestreams ermöglichen es Anhängerinnen und Anhängern auch in Zeiten der Pandemie “dabei” zu sein. Die Aufrufzahlen einiger Clips und die Machart dieser scheinen ein starker Hinweis zu sein, dass viel auf Werbemaßnahmen bzw. Targeting gesetzt wird. Besonders interessant in das Format ‘Behind the Greens’ von den Grünen in Baden-Württemberg. Aber auch hier gilt, dass die Umsetzung ausbaufähig ist.
Dies ist ein generelles Problem der Videos. Zwei der wichtigsten Aspekte des Online-Videos sind Authentizität und Glaubwürdigkeit. Dem Groß der Videos fehlt es an beiden. Die Dialoge bzw. Monologe klingen teils stark auswendig gelernt oder werden gleich ganz abgelesen. Zwar verzeihen Zuschauerinnen und Zuschauer bei Online-Videos handwerkliche Fehler bei der Umsetzung, jedoch werden nur sehr schwer zu verstehende Audioaufnahmen oder gestalterische Aspekte, wie komplett ignorierte Kameraeinstellungen, als zu unprofessionell gewertet. Hier ist noch Luft nach oben.
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