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Der Ausdruck „Digitale Demenz“ wird immer öfter gehört und ist sicher Einigen bereits ein Begriff. Was das jedoch genau bedeutet, ist allerdings den Wenigsten klar. Daher möchten wir das Thema in diesem Beitrag näher beleuchten.
Was ist digitale Demenz?
In einer Marktstudie von myMarktforschung wurde nachgefragt, wie häufig Erinnerungsfunktionen – für Geburtstage, Termine oder Ähnlichem – von technischen Geräten genutzt werden. Demzufolge wird dieser „Service“ von 28,1% der Befragten nicht genutzt. Dem gegenüber stehen jedoch 20,9%, die diese Funktionen täglich nutzen!
Somit kann (oder will) jeder 5. sich keine Termine merken müssen, da es – zugegebenermaßen – unbequemer ist oder weil es auch in manchen Fällen nicht möglich ist, sich die Masse an Terminen zu merken.
Im Grunde handelt es sich – so beschreibt es Manfred Spitzer in seinem Buch „Digitale Demenz 2012“ – um eine Verminderung der Gedächtnisleistung durch medialen Konsum – vor allem Internet. Der Begriff wurde durch Forscher wie ihn, Markus Appel und Constanze Schreiner geprägt.
Manfred Spitzer ist jedoch sehr umstritten da er die Position vertritt, dass Videospiele unnötig und schädlich sind oder soziale Netzwerke Depressionen fördern würden. Grundsätzlich sehen wir diese These nicht als falsch an – vor allem wenn man sich die Entwicklungen auf Instagram (Stichwort Körperkult) näher ansieht – sind aber auch der Meinung, dass eher bereits vorhandene Tendenzen gefördert und nicht erst entwickelt werden.
In der SPIEGEL-Kolumne von Christian Stöcker: “Bestsellerautor über Einsamkeit: Die Methode Spitzer” (Spiegel Online, 11.03.2018) wurden Aussagen von Manfred Spitzer auch bereits scharf kritisiert, da er angeblich nur Studien berücksichtigt die seine Thesen unterstützen.
Haben wir die Erinnerung eines Goldfisches?
Um nicht einseitig zu bleiben, haben wir uns ergänzend dazu die – in der Vergangenheit ebenfalls stark kritisierte und diskutierte – Microsoft-Kanada-Studie von 2015 angesehen.
Auch In dieser Studie wurde untersucht, ob sich unser Erinnerungsvermögen durch die Nutzung des Internets verschlechtert hat.
Innerhalb von 13 Jahren soll sich unsere Aufmerksamkeitsspanne von 12 auf 8 Sekunden reduziert haben. Im Vergleich dazu – ein Goldfisch hat eine Aufmerksamkeitsspanne von 9 Sekunden!
Die Studie wurde von Microsoft aufgrund von „Unsauberkeiten“ und der starken Kritik bereits zurückgezogen und es finden sich bei Microsoft selbst, keinerlei Hinweise oder Links mehr dazu.
Generell gilt aber festzuhalten: Aufmerksamkeitsspanne und Gedächtnisleistung sind nicht ein und dasselbe!
Ebenso besteht der Trend zu Kurzinformationen nicht erst seit des massiven Anstiegs der Internetnutzung, sondern ist bereits seit Jahrzehnten auch anhand von TV-Werbung messbar. Denn dass sich unser Gedächtnis sowie unsere Aufmerksamkeitsvermögen generell verschlechtert hat, wurde bereits in mehreren Studien bewiesen.
Unsere Meinung dazu ist, dass unser Gehirn energieeffizient arbeitet und wir – weil wir es nicht mehr müssen – unsere Gedächtnisleistung nicht mehr in vollem Umfang nutzen. Somit haben wir uns diese Fähigkeit Stück für Stück „abtrainiert“. Die gute Nachricht jedoch ist – man kann sich alles wieder „antrainieren“.
Aufgrund unseres immer schneller werdenden Alltags mit einer immer größeren Flut an Informationen, sind wir jedoch auch gezwungen, Bestimmte „auszulagern“.
Beispielsweise – die Zeit die wir vor Bildschirmen verbringen macht bereits einen beträchtlichen Teil unseres Tages aus. In dieser ganzen Zeit, „konsumieren“ wir fortwährend neue Informationen.
Wissenschaftlich gestützt ist jedoch, dass wir heute tendenziell weniger Zeit haben um uns Informationen einverleiben zu können. Schlichtweg weil wir auch durch die Globalisierung ein Vielfaches an Informationen erhalten, als es noch vor beispielsweise 50 Jahren der Fall war.
FOMO
Mit dem Überangebot an Informationen, hat sich auch das FOMO-Syndrom entwickelt.
„Fear of missing out“ – zu deutsch „Angst, etwas zu verpassen“ – ist auch ein Mitgrund warum wir immer mehr konsumieren.
Time Well Spent – Was denken wir darüber?
Der Begriff „Time Well Spent“ hat sich Anfang 2018 in den sozialen Netzwerken wie unter anderem auch Facebook etabliert. Diese Kampagne basiert auf der Organisation Humane Tech, vom Ex-Google-Mitarbeiter Tristan Harris und wurde gestartet, weil den Usern ein besseres Benutzererlebnis geboten werden soll.
Marc Zuckerberg hat Anfang 2018 auf seinem Facebookprofil einen Beitrag veröffentlicht, in dem er unter anderem gesagt hat:
- “Continuing our focus for 2018 to make sure the time we all spend on Facebook is time well spent…”
- feeling a „responsibility to make sure our services aren’t just fun to use, but also good for people’s well-being“
- hope to „make time on Facebook time well spent: where we’re strengthening our relationships, engaging in active conversations rather than passive consumption, and, when we read news, making sure it’s from high quality and trusted sources.”
Zusammengefasst soll die Zeit auf Facebook gut genutzt werden, das Wohlbefinden der Nutzer fördern und qualitativ hochwertige Inhalte weniger konsumiert als aktiv mitgestaltet werden.
Dies erinnert stark an das „Casino-Gesetz“. Die Gesundheit der Spieler soll gefördert werden, potenzielles Suchtverhalten früh erkannt und Dem entgegengewirkt werden. Denn suchtkranke Spieler spielen eine Zeit lang exzessiv, sind dann aber als Kunden verloren.
Die Thematik wurde auch bereits von anderen Unternehmen aufgegriffen.
Netflix & Co. machen sich Sorgen?
Beim Konsumieren von Serien auf Netflix wird der Zuseher neuerdings zwischendurch gefragt, ob er „noch da ist“ oder ob die Serie „xyz noch geschaut wird“. Dadurch ist man gezwungen zu handeln und wird aus dem Trott des „passiven Dauerguckens“ herausgerissen.
Bedenklich ist auf jeden Fall, dass sich Unternehmen die eigentlich davon leben die Nutzer möglichst oft auf ihre Plattform zu holen, die dann möglichst lange dort verweilen sollen schon Sorgen machen. Wie schlimm ist die Situation bereits?
„Time Well Spent“ ist eigentlich eine Reaktion auf die Überforderung die heute herrscht und hängt daher auch mit dem Thema „Digitale Demenz“ zusammen. Auf jeden Fall läd der Begriff ein, über sein eigenes Nutzerverhalten nachzudenken und es zwischendurch auch in Frage zu stellen.
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